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AUS MEINEN KRIEGSTAGEN
 
 

Eine Erinnerungsskizze von Günther Dunsbach, St.Nikolaus

Erschüttert und betroffen blättere ich im soeben, Mai 1979, entdeckten Bildband
"VON MOSKAU NACH BERLIN" im STALLING-Verlag erschienen, von Heinrich Böll eingeleitet,-
Bilddokumente sowjetischer Kriegsberichterstatter des Krieges im Osten 1941/45.
Einmal mehr wird mir, dem Zeitgenossen, dem Dabeigewesenen, durch diese eindrucksvolle Dokumentation die Wahnwitzigkeit jener Geschichtsepoche vor Augen geführt, des Zeitabschnitts, der auch meine Kindheit und Jugend umfaßte. Zu jung noch, das ganze Drama mitzuspielen, aber nicht mehr jung genug, doch nicht noch in der Schlußszene meinen Auftritt zu haben.
Ich, Jahrgang 1927, erinnere mich; denn auf einer der letzten Seiten des "Bilderbuches" finde ich mich, stehe dort am rechten Rande, bin "im Bilde." Deshalb will ich berichten:
Also, 17 damals, von der Schulbank kommend, aus dem äußersten Westen des "Großdeutschen Reiches", aus dem Dorf St. Nikolaus im Westwallvorfeld. Unser Heimat mußte meine Familie gleich zu Beginn des Krieges, am 1. September 1939, verlassen, wie Millionen in der Folge. Mein erstes Kriegserlebnis am ersten Kriegstag, Haus, Wohnungseinrichtung, Hab und Gut zurücklassend, erste Kriegsbeute für räubernde, plündernde Franzosen und ... Deutsche.
Und dann, nochmals, im November/Dezember 1944. Zweimalige Flucht, "Rückführung" nach offiziellem Sprachgebrauch, Verlust von Heimat, Wohnung, Jugend, Liebgewonnenem.

Mit 15, 16 als Kriegsfreiwilliger gemeldet, wie alle unserer Klasse der "Albert-Leo Schlageter"- Oberschule für Jungen in Völklingen. Ich, als Offiziersbewerber der Luftwaffe, zum einen um der Infanterie und der Waffen-SS zu entgehen und zum andern, um Flieger zu werden. Ein Kindheitstraum, geträumt beim Mitarbeiten in Vaters Modellbau-Kreis, dort im alten Schulhaus in St. Nikolaus, wo er auch seine Dienstwohnung als Hauptlehrer an der Volksschule hatte. Das Unterrichtsfach "Handfertigkeit" mit Flugmodellbau war auch sein großes Hobby, das einen "Dienst" in der Partei oder den NS-Gliederungen entbehrlich machte. Ich selbst wurde bestimmt, in den beiden letzten Kriegsjahren als Fähnleinführer des Jungvolks in der Hitler-Jugend Dienst zu tun, und mußte/durfte deshalb nicht mit den meisten anderen meiner Klasse als Luftwaffenhelfer an die Flak-Geschütze.
Ausheben von Panzergräben im Sommer und Frühherbst 1944, heimatnah. Reichsarbeitsdienst (RAD) im September/Oktober 1944, Abteilung 2/319 in Kandel bei Landau/Pfalz und Hochstetten bei Karlsruhe, dann zweite Evakuierung mit Mutter, Geschwistern und mit den alten Menschen, die unserer Fürsorge bedurften.

Bis Februar 1945 in Riegelsberg im Haus der Großmutter, warten auf den Gestellungsbefehl; habe mich in diesen letzten Kriegswinterwochen, westfrontnah eben solange "gedrückt" wie es nur ging.
Das Wehrbezirkskommando war verlegt, wohin blieb mir lange unbekannt. Ich lief ihm nicht gleich nach!
Der Ami stand schon auf der linken Saarseite.- Da bin ich erst eingerückt, habe die Familie verlassen. Nach zwei Wochen schon wäre hier der Krieg für mich vorbei gewesen; denn dann waren die Amerikaner da.- So erreichte mich doch noch der Gestellungsbefehl, richtiger, ich holte mir das Papier in einem Sulzbacher Schulhaus ab, wohin die Dienststelle evakuiert war. Vater lag, 50jährig, als Volkssturmmann in Brebach im Westwallbunker.

Nach abenteuerlicher Fahrt mit den verschiedensten Transportmitteln erreichte ich dann doch noch meine Truppe.
Beim ‘Ausbildungsbataillon OB I der Luftwaffe’ in Oschatz in Sachsen eingekleidet, geschliffen, gehungert, doch immer zackig, zackig, Gewehrgriffe für die Siegesparade gekloppt, richtig Gehen und Grüßen gelernt.- Dort traf ich auch einige Schulkameraden: Bamberger, Zimmer, Jakoby(+), Lutz(+).- Ganz in der Nähe war die Stadt Dresden von englischen "Terrorbombern" soeben in Schutt und Asche gelegt worden, Hunderttausende, Männer, Frauen, Kinder haben den Tod gefunden.
Vereidigung im Hofe des Schlosses Hubertusburg zu nächtlicher Stunde bei Fackelschein, dort, wo am 15. Februar 1763 die Friedensverträge unterzeichnet wurden, die den mörderischen Siebenjährigen Krieg beendeten.- Unser Oberst sprach von Mut, soldatischer Tapferkeit und von - Zivilcourage. Heute weiß ich, daß er damit den Mut zum persönlichen Überleben in diesen letzten Kriegstagen gemeint hat.— Hubertusburg, auch ein Markstein preußischer Geschichte...

In den ersten Apriltagen wurde ein Teil der Rekruten ausgesondert, "abgelöst", abgestellt nach Bernau, nordöstlich von Berlin, in die Luftnachrichtenkaserne. Söhne hoher Luftwaffenoffiziere, vor allem, wenn sie schon Segelflugzeugscheine besaßen, durften zurückbleiben. Auf der Fahrt im Güterzug erfuhren wir, daß wir zum Fronteinsatz kommen sollten. Aus dem Ausbildungsbatallion wird ein "Kampf"-Regiment gebildet, einer "Luftwaffen-Felddivision" zugewiesen, also doch noch Infanterie.
Ohne Tross, ohne Feldküche, zum Teil mit KK-Gewehren ausgerüstet und mit Flieger-MGs-08/15 und mit Panzerfäusten—— letzte der "Wunderwaffen"?- und mit Handgranaten marschieren wir am Ostermontag ab, zwei Tage durch die Mark Brandenburg bis zum Gut Gottesgabe im Oderbruch, gelegen an der Straße Seelow-Wriezen, Kloster und Ort Alt-Friedland ganz in der Nähe.

Darüber berichtete schon Theodor Fontane in seinen "Wanderungen".

Die Klosterweiher erinnern mich sehr an meine Heimat St.Nikolaus, an unseren Nikolaus-Weiher.— "Hardenberg-Linie", wichtigster Teil der Hauptkampflinie, Bollwerk zum Schutz der Reichshauptstadt.
Jenseits der Oder die Festung Küstrin, Kerker für den jungen "Alten Fritz", Hinrichtungsort seines Freundes Katte. Auch eine Episode preußischer Geschichte.
Rucksäcke und Tornister sind in einem rückwärtigen Wäldchen abzulegen. Mit leichtem Gepäck, das ausreicht zum Kämpfen und — Sterben, (aber daran dachten wir nicht), geht es "nach vorne".
Wir, siebzehn, achtzehn, wissen, ahnen nicht, daß wir letztes Aufgebot zur Verteidigung der Reichshauptstadt sein sollen. Wir glauben immer noch an den Endsieg, hoffen auf die Wunderwaffen, wissen nicht, wollen nicht glauben, daß dieser Krieg schon lange verloren ist. Vom fetten Reichs-marschall Hermann Göring, Chef der Luftwaffe, soeben in Ungnade gefallen, dem Führer als letzter Tribut zu Füßen gelegt.—
Wir Jungen, von Zahrah Leander moralisch gerüstet:" Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn..." und ...." wollen deshalb hineingehen in diesen Kampf, wie in einen Gottesdienst..." , wie uns der bocksfüßige Doktor (Göbbels) kürzlich suggerierte.-
Ich selbst auch? Oder war ich feige, hatte ich Angst? Wollte eher überleben , als heldisch zu sterben!- Aber die Kameraden aus preußischen, teils adeligen Offiziersfamilien, manche aus Ostpreußen, Westpreußen, Hinterpommern, auf Rückeroberung der bereits verlorenen Heimat bedacht- und auch auf Rache für ihre erschlagenen, überrollten und geschändeten Familien, sie waren vielleicht kampfentschlossener! Auch ging bei uns die Angst um vor dem Morgenthau-Plan, wonach alle jungen Deutschen entmannt werden sollten, ein schwerwiegendes Motiv durchzuhalten!

Wir wollen doch noch den "Endsieg"erleben !—

Ich selbst war jedenfalls zum Überleben entschlossen.-

Gut Gottesgabe—— Sollen wir "Gottesgabe" sein?

Wir müssen Schützengräben auswerfen, die Hardenbergstellung verstärken, streunen auch umher, suchen nach Eßbarem, Rüben, graben stinkende Kartoffeln aus den Mieten, kauen Maiskörner, beiße mir dabei einen Zahn aus. Wollen essen... und auch noch erfahren, was Leben ist. Verschießen unsere Munition auf tieffliegende feindliche Aufklärungsflugzeuge-... und werden wie kleine Buben wegen der Verschwendung ausgeschimpft.
Am 16. April in der Nacht ging es dann los.- Wir hören aus Richtung Küstrin den Donner von 22 000 Geschützen, wie ich später, viel später gelesen habe. Wir, die 120 Buben unserer Kompanie, die Unteroffiziere, der Chef, ca. 21 alt, Ritterkreuz aus stolzen Jagdfliegertagen, uns Vorbild, doch jetzt wie wir im Dreckgraben hinter einem Arm der Alten Oder oder einem Seitenfließ.
Andere liegen davor, als Panzerjagdkommandos.
Freiwillige als Melder werden gesucht,- ich melde mich nicht. Meine Patin Gretel, Wehrmachtshelferin, hatte mich bei ihrem letzten Urlaub noch vergattert: " Bub, melde dich nur nie freiwillig! "

In der Morgendämmerung des 17. April hören wir durch den Frühnebel ein Dröhnen, starke Motorengeräusche, .. Panzer : Der Iwan kommt!
Der Schreckensruf alter Rußland-Landser.  Jetzt sind wir noch dran!
Morgennebel lichten sich, wir sehen die ersten Ungetüme, sie rollen heran über das Feld, kommen auf uns zu. Noch kein Schuß, direkt unheimlich. Einige wollen 40, 50 Panzerfahrzeuge gezählt haben. Neben mir, keine 10 Meter entfernt , der Kompaniechef (ob der auch die Hosen voll hat ?) mit dem Fernglas vor den Augen. Ich erschrecke, der erste Schuß ist gefallen ratsch-bumm, eine erste Panzergranate oder so was zerreißt den Chef.- Volltreffer auf den Mann. Die Buben geraten in Panik, jetzt geht der Feuerzauber richtig los, aus Panzerkanonen und aus Infanteriewaffen, Granatwerfern, wir werden eingedeckt, stecken die Nasen in den Dreck.
Nur ganz Mutige strecken den Kopf noch über die Grabenkante, schießen mit ihren Gewehren, probieren die hier im Dreck untauglichen Flieger-Doppel-trommel-MGs aus, schießen mehr ins Blaue. Auch die beiden Zwillingsbrüder neben mir, Söhne eines Luftwaffenobersten wollen mitmischen.-
Einer der Zwillinge sackt plötzlich weg, liegt da auf der Grabensohle, Augen starr geöffnet, Loch im Helm, Loch in der Stirn, tot! Die Schreie seines über ihm liegenden Bruders werde ich nie vergessen.- Dann Granatwerfer-, Artillerie-, "Stalinorgel"-Feuer, die Erde hebt und senkt sich in Wellen und immer wieder "Knallerbsenregen" auf die Grabenkante.
Die Panzer und schweren Fahrzeuge des Feindes stecken wohl im Morast, kommen nicht weiter. Ein Glück für uns, doch nicht für alle.
Die Sonne geht auf, steigt empor, es wird Mittag. Flugzeuge, Iljuschins, Ratas kurven umher, stoßen herab, beharken uns mit Bordwaffen. Wo bleiben die Mes und Jus? Ah, da eine Kette unserer Jäger. Wollte ja auch mal in einem sitzen. Zu spät.--  Nur eine Kette. Ist hier zu wenig.

Wir glauben immer noch an Görings "Wunderwaffen", hoffen auf Entsatz. Parole: Roosevelt ist tot! Die Amis und Tommies stehen an der Elbe, Gewehr bei Fuß, wollen mit uns gegen die Russen gehen. Also: Aushalten! Flugblätter schweben in den Graben : "Deutsche werft eure Waffen weg, kommt zu uns, der Krieg ist für euch verloren!" Auch gleichlautende Stimmen aus dem Lautsprecher drüben,... nicht glauben... das sind Seydlitz-Verräter!. Wir denken nicht daran uns zu ergeben.-
Ich erinnere mich an die katholische Erziehung in meiner Kindheit und die Übungen im Beten. Jetzt kann ichs wieder probieren.
Nach unendlich langer Zeit neigt sich die Aprilsonne rauchverhangen im Westen, die Abenddämmerung bricht herein. Um uns brennt der Schilfgürtel, langsam wird es dunkel. Wir zählen ab, nur wenige über 20 sind gehfähig, steigen aus dem Graben, robben davon, stehen auf, stolpern in die Dunkelheit, nehmen zwei und zwei Verwundete zwischen uns, schleppende, keuchende, gespenstig vom flackernden Feuer beleuchtete Gestalten, fliehen wir in kleinen Gruppen, gehen, schleichen, laufen zwei, drei Stunden über sandige Feldwege, legen uns am Wegesrand nieder, fallen in todesähnlichen Schlaf. Aufstehen, weiter, Sammeln in einer Scheune. Am nächsten Morgen rückt eine kleine zusammengestoppelte Gruppe in ein Wäldchen am Nordrand des Buckower Forstes. Märkische Schweiz.Da ist keiner mehr von unserem Haufen, keiner, den ich kenne. Am Abend werde ich mit einer Handvoll junger Soldaten zu einer Anhöhe zu einem Artilleriebeobachter geschickt, zu dessen Schutz.-
Hier oben steht eine Gruppe von drei Eichen. Wir sollen uns hier eingraben, der Boden ist steinig, wir haben nur einen Spaten, ich schlafe lieber, bin zu müde, mache mir kein Loch .
Vor uns, am sacht gen Osten abfallenden Hang sind viele Geschütze in Stellung gegangen. Flak-Batterien des Reichsarbeitsdienstes. Wenn die losfeuern!
Die Nacht ist ruhig, nur komisch ratternde Flugzeuge, "Kaffemühlen" im Landserjargon, fliegen rum, schicken Girlanden von Leuchtspurgeschossen zur Erde, starker Geschützdonner ...südlich, bei Seelow.— Auch unser Standort ist Teil der "Seelower Höhen", nördlicher Ausläufer des Höhenzuges.

Als der Morgen dämmert wache ich auf, höre in der Ferne das Dröhnen von Fahrzeugen. Der Frühnebel hebt sich, wir sehen sie rollen... gen Berlin.Unser Hügel liegt zwischen zwei Strassen, Alleen, "Rollbahnen", die nach Westen führen. Im Wehrmachtstagebuch las ich später von 450 Panzerfahrzeugen auf diesem Abschnitt.
Dann geht der Feuerzauber los. "Feuer frei" für die Flak-Geschütze vor uns- und für die Russenpanzer drüben auf den Straßen. Aus allen Kalibern rummst es hinüber und herüber.
Eine der ersten Granaten trifft die Eiche unter der ich liege, obwohl mannsdick, ist sie plötzlich weg.
Mir schlägt es wie mit einem Hammer ins Kreuz. Was ist das? Fühle hin, es ist naß, Blut an der Hand. Ich bin verwundet! Erster Gedanke: Abhauen! Sags dem Leutnant, springe auf, renne hangabwärts übers Feld dem paar hundert Meter entfernten Wald zu.
Ständiges Heulen und Krachen von Granateinschlägen um mich. Nur nicht rumgucken, rennen, wie die Hasen, hinwerfen, auf, wie geübt.... Brotbeutel, Gasmaske, Patronentaschen hindern, Koppelschloß auf, weg mit dem hinderlichen Plunder. Ich erreiche den Weg am Wald, dort startet gerade eine Ketten-Zugmaschine, springe auf, hänge mich hinten an, los gehts im Karacho. Ich japse, keuche, spucke Blut, egal, nur nichts wie weg! Wie gut, daß ich dick angezogen war, weniger fürs Rennen, Zeltplane, Mantel, Bluse, dicker Pullover usw., sonst hätte es schlimmer ausgehen können. Bald ist ein Ort erreicht (Grunow?, Bollersdorf?). Strassen verstopft von motorisierten und bespannten Fahrzeugen, Menschen, Militärs, Zivilisten,...' alles rennet, rettet, flüchtet....': Der Iwan kommt!
Drüber kurven russische Flugzeuge, stoßen herab, feuern mit Bordwaffen, werfen Splitterbomben, Dreck spritzt und Lebendiges, nur fort.
Ich bleibe weiter an der Lafette hängen bis wir anhalten. Stop! Eine Kreuzung. Dort stellen sich drei "Kettenhunde", "Heldenklaus", Feldpolizei, Waffen-SS den Flüchtenden entgegen. Alle, die noch kampffähig erscheinen, holen sie von den Fahrzeugen runter, nur ein Fahrer und Verwundete dürfen weiterfahren. Ich muß zu einer Gruppe, die seitwärts steht. Drüben, jenseits der Straße liegen an der Böschung drei Tote. Man sagt, die wären wegen Feigheit erschossen worden, als abschreckendes Beispiel.
Können aber auch "nur" Gefallene gewesen sein.
Ich werde mit anderen aussortiert, darf neben dem Fahrer auf eine vorbeikommende Kutsche aufsitzen. Vorne zwei schöne Braune, hinten noch vier weitere angebunden, sie kämen vom Trakehnergestüt erklärt mir der Wagenlenker. Weiter Weg!

Wir traben in Richtung Straußberg durch den Wald. Werde noch auf einem Verbandsplatz, seitwärts im Wald versteckt, verarztet: große Kompresse auf die Wunde unterm rechten Schulterblatt, Eisen bleibt drinn. Besonders wichtig auch für die nächsten Tage ist, daß ich einen Pappstreifen angehängt bekomme, der mich als Verwundeter ausweist.- Weiter gehts mit der Kutsche gen Straußberg. Dort in Baracken ist ein Hauptverbandsplatz.
Viele Tragen mit Verwundeten stehen herum, Tote sind nebenan auf dem Rasen abgelegt, ein Bombentrichter füllt sich mit gebrauchtem Verbands- material und mit abgetrennten menschlichen Reste: Müll! Dann komme ich dran. In einem Raum, notdürftig zum OP umfunktioniert, werden zwei Landser auf blanken Tischen operiert, einem wird gerade die Säge am Oberschenkel angesetzt, aus dem Körper des andern pulsieren Blutfontänen an vielen Stellen. Der schreit: "Iwan, wenn ich dich kriege ....." , das wird er sicherlich nicht mehr, das hat dieser Feldwebel ("Steiner"-Typ) wohl schon vorgeleistet, wie seine Orden und Kampfabzeichen am Waffenrock, der dort in der Ecke liegt, ausweisen.
Ich werde rittlings auf einen Stuhl gesetzt, Jacke aus, Hemd aus, Arme über die Lehne gelegt, Pinzette in die Wunde, metallisches Klappern in der Nierenschale, bohnengroßer Granatsplitter. Wird immer noch korrekt und vorschriftsmäßig in einen Bericht diktiert, Pflaster drauf, die obligate Spritze in den Arm und ab..,.der Nächste bitte. Die Männer und Frauen mit blutverschmierten Gummischürzen, Blutlachen auf dem Boden, Schlachthofatmosphäre.
Vom Geruch wird 's mir übel, schnell raus an die Luft. Ein herrlich warmer Apriltag geht zu Ende. Ich gehe zum Bahnhof, steige in die S-Bahn ein, fahre mit Marschbefehl wie andere Verwundete nach Berlin.

Schlesischer Bahnhof, aussteigen, Frühlingsabend, Sirenengeheul, Luftalarm. Letzter Luftangriff der Tommies auf die Reichshauptstadt oder auf das, was davon noch übrig ist. Wir Verwundete, Flüchtende, Strandgut von der Front, werden hineingespült in die großstädtischen Ruinen. Verlassen den Bahnhof, suchen vis-a-vis den Hochbunker auf. Der ist vollgepfercht mit Menschen,- Arbeiterklasse! Vor 12 Jahren noch zur "Kommune" oder den "Sozis" zählend, schimpfen lauthals auf die Nazis, auf Adolf, den Verbrecher. Ich habe nie sowas gehört- (doch,.. manchmal von Mutter!), bin entsetzt, kann die Leute auch jetzt noch nicht verstehen....Dann kracht es zweimal heftig, schwere Erschütterung, Schwanken des Betonklotzes, Staub, Qualm steigt hoch, Menschen kreischen, fluchen, rufen, halten sich aneinander. Für mich ist dies alles fast schlimmer als das draußen im Graben von ‘Gottesgabe’, - entnervend.- Endlich dann Entwarnung, der Bunker leert sich, die Bunkertür, schwergepanzert, war eingedrückt worden, eine Sprengbombe hatte den Rand der Dachdecke getroffen, war abgeglitten und vor dem Eingang detoniert, die zweite direkt auf dem Dach.
Schnell raus! Draußen ein Flammenmeer.
Das Plaza-Reveutheater in der Nähe brennt auch, doch im Keller stehen Feldbetten, ich lege mich hin und schlafe. Draußen tobt der Feuersturm.
Giebel stürzen, Häuser fallen, mich stört es nicht. Ich schlafe bis zum Morgen des 20. April:
"Führers Geburtstag", sein letzter! Durch Qualm und Rauch drängt sich die warme Aprilsonne, Frühlingtag, Hitlerwetter. Ich werde mit der S-Bahn in ein Lazarett nach Zehlendorf geschickt. Staune über die Größe der Ruinenstadt- Hauptstadt des Großdeutschen Reiches.
Viele Menschen sehe ich hin- und herhasten, umherirren. Zehlendorf, ziemlich vornehme "Jejend" ist kaum getroffen, Idylle, intaktes Lazarett, Wasser, Seife, Handtuch, Essen, herrliches weißes Bett und freundliches Sanitätspersonal,- darf dem Bettnachbarn Blut spenden. Mache mir Illusionen, auch mit dem Lazarettzug nach Bayern geschickt zu werden, doch meine Verletzung ist nicht schwer genug. Möchte aber doch gerne nachhause, bin hier so alleine, kenne doch niemand, nicht diese Stadt und nicht all diese Menschen.-
Aber ich werde wohl noch gebraucht. Da jeder nur Gehfähige zählt, schickt man mich zur Eingliederung in eine Kampfgruppe nach Spandau in die Hornkaserne, am Montag, 23. April. Ich höre, daß man Deserteure aufhängt, mit Pappschildern um den Hals: "Ich bin ein Verräter!" So möchte ich nicht enden, obwohl ich daran denke, Richtung Westen, Elbe abzuhauen, füge ich mich den Anordnungen und fahre mit der S-Bahn nach Spandau. Für alle Fälle, sagt mir mein Instinkt, behalte ich den Pappstreifen, der mich als Verwundeter ausweist, unter meiner Feldbluse versteckt. Der kann mir vielleicht mal helfen! Ein so gekennzeichneter Verwundeter kann sich eher mal verdrücken wenn es mulmig wird, fühlte ich, - und hatte mehrmals recht.
Von der Hornkaserne ziehe ich mit einer Gruppe von Fallschirmjägern in Richtung Nauen. Dort soll der Ring noch offen sein. Wir werden aber bald wieder zurückbeordert.

Am 25. April ging es nachmittags mit einer neuen Gruppe zur Trapprennbahn Ruhleben, Sofienwerder, drüben über der Spree liegt Siemensstadt mit seinen Werkshallen und den hohen Schornsteinen des Kraftwerks. Ein zusammengewürfelter Haufen von 10 Mann mit einem reaktivierten Infanterie-hauptmann, einem Berliner, an der Spitze, kampferprobter Haudegen, Deutsches Kreuz in Gold, den Ärmel voller Panzervernichtungsabzeichen, 8 Verwundungen,- auch Kopfschuß.
In der Abenddämmerung rücken wir vor auf dem Bahndamm, einer Strecke, die in einem Bogen über die Spree hinüber nach Siemensstadt führt. In der Nähe der Brücke kommt einer über das Gleis uns entgegen gelaufen, er schreit was, was ich nicht verstehen kann. Die andern kehren um und laufen ihm nach. Ich lasse mir Zeit. Plötzlich ein Krachen, Schlag ins Genick, ich werde fortgeschleudert, fliege auf die Nase. Die Brücke ist hochgegangen, gesprengt.- Marschverpflegung, halbe Büchse Wurst, Kanten Kommißbrot, Schlafen in den bezogenen Betten in den Häuschen bei der Trabrennbahn.
Morgens früh wird Stellung bezogen. Hinter dem Bahndamm.
Dann kommen sie über die Trümmer der gesprengten Brücke, vielleicht in Bataillonsstärke, sickern sie ein in das Parkgelände, machen sich in den Häuschen, Schuppen, Stallungen zu schaffen, schmeißen Möbel, Wäsche, Bettzeug aus Fenstern und Türen. Der Hauptmann hält uns in Deckung, bis möglichst viele noch näher sind. Dann sind sie am Zaun, am Böschungsfuß, keine 15 Meter von uns entfernt. "Feuer frei!" wird befohlen. Die zwei MG 42 rattern los und die Sturmgewehre. Ich setze das Magazin auf der mir zugewandten Schiene auf, ziehe ab, mir fliegt der Schotter um die Ohren, ich habe mich fast selbst erschossen, meine erster Feuerstoß ging in die gegenüberliegende Schiene!
Dann flüchten sie zum Brückenkopf, cirka 200 Meter, dort bleibt der Rest liegen. Wir stoßen nach zum Ufer, dort "am grünen Strand der Spree", schlüpfen wir in die vorhandenen Löcher und Gräben, dann geht von drüben der Feuerzauber los, wir werden von Granatwerfern eingedeckt. Der VB dort drüben auf dem Schornstein des Kraftwerkes kann uns bestimmt gut erkennen. Wir versuchen ihn runterzuholen,- ohne Erfolg. Das Feuer wird immer dichter, fast jeder bekommt was ab. Mir fährt ein Splitterchen ins Kinn, der dicke Rollkragen hat seine Wucht etwas gebremst, doch es blutet stark, ein zweiter reißt mir den rechten Mittelfinger auf. Der Zeigefinger wäre besser gewesen, denn mit dem bedient man nämlich den Abzug!
Auch der Hauptmann hat wieder seinen Kopfschuß weg.
Ich türme mit den andern, soweit sie noch können, hinter den Bahndamm und weiter zum Spandauer Damm. Jedenfalls fand an dieser Stelle, wie die Kriegsberichterstattung feststellte, kein weiterer Vorstoß der Sowjets mehr statt. (Siehe Tony le Tissier "Der Kampf um Berlin 1945" Ullstein-Verlag, S. 153)
Dort, an der Straße, darf ich auf den vorderen Kotflügel eines LKW steigen, der in Richtung Charlottenburg fährt."Lucki-Lucki" machen, Ausschau halten nach Tieffliegern. Soll mich bei einer Frontleitstelle in der Technischen Hochschule melden, im Gebäude, das heute dem Bundesverwaltungsgericht dient. Soll gleich in einem der Räume behilflich sein bei einer Operation, ein Schwerverwundeter ist auf dem Tisch festzuhalten, ich kann es nicht, mir wird übel.
Um den Bahnhof Zoo, in den Unterführungen sammeln sich tausende Menschen, hunderte Troßfahrzeuge, zum Teil mit Munition beladen, stehen herum. Sirenengeheul, treppenabwärts in die Keller, Luftangriff. Nachher liegen da Massen an Toten und Verletzten .
Ich gehen in Richtung Hochbunker, an der Bahndammmauer sind Leichen wie Holz meterhoch gestapelt, gestreifte Anzüge. Es sollen russische Kriegsgefangene sein (oder KZ-ler?) Liquidiert, "sonderbehandelt"?
Die Frage hat sich mir erst viel später gestellt.-

 Im Zoo-Bunker finde ich einen Liegeplatz auf den Eisenplatten im Aufzugsschacht eines der vier Flaktürme. Von oben höre ich die dauernden Abschüsse, Erdziele in den Berliner Straßen werden angezielt. Am Abend des 29. April werde ich mit einer Gruppe von 10 Mann zur Englischen Strasse geschickt. Dort ist die große Daimler-Benz-Werkstatt. In den Ruinen eines Wohngebäudes gehen wir in Stellung. Jenseits der Mauerreste ist ein kleiner Innenhof. Durch Löcher in der Mauer hat man einen Blick wie auf eine Theaterbühne, hinter deren Kulissen, den Mauerresten, man Stimmen hören kann, fremde Laute,- Russen! Trotzdem nicke ich übermüdet ein. Morgens dann geht sie los die Vorstellung. Handgranaten fliegen hinüber und herrüber, Russen probieren deutsche Panzerfäuste aus, laufen oben über die Brandmauer, unten über den Hof, müssen besoffen sein,- bieten nur zu gute Ziele.
Dort sterben sie. Aber keinen Theatertod. Sie kamen angereist, tausende Kilometer weit her, aus Moskau, aus Stalingrad, aus Georgien, Usbekistan, Sibirien, aus Kasachstan, um sich hier für den Sturm auf den Reichstag zu formieren, um "Himmler’s Haus" und die Reichskanzlei zu erobern, um Hitlerdeutschland und den verhaßten Faschisten den Rest zu geben.
Und um dann hier noch zu sterben! ... Dann ziehen sie sich zurück. Wir folgen ihnen über den Hof, in die große Werkstatthalle, unbehelligt. Dort stehen sie die großen Vorkriegs-Nobelkutschen, die Mercedes, Maybachs, Horchs. Drüben die großen Tore sind verhangen mit schwarzen Verdunkelungsvorhängen.
Einzelne Einschläge von Granaten auf den Sheddächern werfen immer wieder einen Segen von Glas und Stahl über uns. Kistenweise schmeißen wir Handgranaten in die Kellerlucken und die Kellerrampe hinunter. Dann kommt der Chef des Haufens, ein wenig kampferfahrener Schirrmeister, auf die Idee, unten im Keller mal nachsehen zu lassen. Dazu hat er sich einen Zivilisten ausersehen, den Hausmeister, ca. 60jährig, im grauen Arbeitskittel. Kaum ist der die Rampe hinunter, trifft ihn ein Feuerstoß. Er kommt, den Bauch haltend hochgewankt, legt sich hin und stirbt. Schweinerei!
Wir ziehen uns in die Halle zurück. Ich werde als Nachhut in der Nähe des großen Tores postiert, kauernd hinter einem der abgestellten Fahrzeuge.
Bald bewegt sich der schwarze Vorhang, da steht ein Russe in der Halle, Lederjacke, Schirmmütze, Maschinenpistole unterm Arm. Offizier? Ich ziehe den Abzug durch, war eine Sekunde schneller.
Jetzt aber weg. Von den andern ist nichts mehr zu sehen. Durch die Trümmer krieche ich zu einem Lichtgraben längs der Englischen Straße. Wie ein ersehntes Glück kommt die Dämmerung, die Hexennacht bricht an.
Spähe über den Rand der Mauer und sehe keine 5o Meter entfernt einenT 34 stehn, das Geschütz weist in meine Richtung, er schießt, trifft einenErker schräg über mir, wo sich ein deutsches MG-Nest befand. Die Straße ist voller Qualm, Staub. Ich steige raus auf die Straße, renne rüber, springe, falle in einen tiefen Keller ( der Preußischen Porzellanmanufaktur!). Kinn aufs Knie, Helmkante auf die Nase, Zunge zwischen die Zähne, technisches KO, bin aber davongekommen, wieder einmal, krieche unter einen Stahlbeton-Treppenpodest, ruhe mich aus, doch nicht lange. Plötzlich ein Krachen über mir, ich liege unter Betontrümmern, schaue nach oben,- der dunkelblaue Abendhimmel schimmert durch die betonlose Armierung, wieder Glück gehabt. Schleiche mich dann durch Keller, über Trümmerhaufen, komme an einen Kellerabgang, steige hinab und finde mich irgendwo unter Menschen, Verwundeten, Sanis. Verbandsplatz unterm Bahnhof Tiergarten. Erfahre von den Kumpels, die dort liegen: der Führer ist gefallen, heute Nachmittag, im Kampf, mit der Waffe in der Hand. Nehme das emotionslos zur Kenntnis. Einer meint:" Der hat sich erschossen", der wußte es besser! Oder vergiftet? Auch egal!

Mit einem anderen Gehfähigen werde ich dann losgeschickt zum nächsten Kriegslazarett, ins Hotel Adlon.
Was ist das, wo ist das ?
Wir ziehen beide los, in die Mondnacht im April, über die "Ost-West- Achse", Siegesallee, durch den Tiergarten, an der Siegessäule vorbei.
Wissen nicht, daß in geringer Entfernung links und rechts die Russen liegen. Erschöpft. Man läßt uns gehen. Es ist relativ ruhig auf unserm Weg, nur ab und zu ein Granateinschlag. Der Tiergarten ist verwüstet, "Zahnstocher-Mondlandschaft", überall liegen geleerte Versorgungsbehälter, von Flug- zeugen abgeworfen, Fallschirmseide, Kapitulationszeichen,... Leichentücher! Der Mond scheint gespenstig durch die Rauchschwaden, Brandgeruch, Hexennacht....
Das Brandenburger Tor türmt sich vor mir auf, einst Zeichen des Sieges, Symbol für Preußens Gloria.... Beim Näherkommen ein Heulen und Krachen, Hinwerfen, ein Steinschauer über mich, eine Granate war in den Architrav gefahren, nicht die erste und einzige. Das mächtige Tor ist schwer mit-genommen, seine Werksteine und oben die Quadriga sind schwer beschädigt. Das ist nun mein Siegesmarsch durch das Brandenburger Tor ! Ich erinnere mich : Oktober 1939 in Bad Ems wo meine Familie evakuiert war, unter dem Eindruck einer stramm marschierenden, polenkriegserprobten Einheit der SS-Leibstandarte "Adolf Hitler" zu Vater gesagt: "Vielleicht dauert der Krieg so lange, daß ich wenigstens noch aktiv die Siegesparade durch das Brandenburger Tor mitmachen kann." Vater::" Bist verrückt... jedenfalls nicht bei der SS!" Mein Wunsch ist also doch noch in Erfüllung gegangen, wenn auch nicht wie gedacht, - als Sieger .
Schleiche über den Pariser Platz, auf dem noch und noch zerstörte Fahrzeuge herumliegen, und finde hinter einer Splitterschutzwand den Eingang ins "Adlon". Die Eingangshalle großartig, wenn auch nur schummrig beleuchtet, nie sowas gesehen, außer im deutschen Ausstattungsfilm, "Reichs-Nobel-herberge"! Matratzen dicht an dicht auf dem Marmorboden und Tragen, darauf Schwerverwundete, Bauchschüsse, Kopfschüsse, Amputierte, dazwischen Ärzte, Sanis, Schwestern. Auch Unverwundete in Uniform, hohe Chargen, Leibärzte sagt man, Waffen-SS-Offiziere, gehen umher. Viele mit den Ärmelstreifen "Nordland", "Wallonie", "Charlemagne", Söldner in Hitlers Diensten, Retter des Abendlandes?
Ich sinke auf eine Polsterbank und schlafe gleich ein, träume bestimmt nicht von den Großen dieser Welt, die kürzlich noch hier saßen und uns, miteinander plaudernd, verraten und verkauft haben.

 1. Mai, Tag der Arbeit, Endzeit-Tag, draußen noch starke Schießerei, die Russen stürmen den Reichstag, entfachen den zweiten "Reichstagsbrand". Der erste, 1933, war provozierter Anlaß, die Kommunisten aus dem Parlament auszuschalten und sie hinter Schloß und Riegel zu bringen. Machtergreifung, gekonnt inszeniert, doch jetzt ‘vollendet’ von sowjetischen Kommunisten
 - unter anderen Vorzeichen. Sie sind gekommen, um Deutschland nach 12 Jahren von den Faschisten zu befreien und ihre Genossen zu rächen.
In der Nacht vom 1. zum 2. Mai noch starker Kampflärm draußen, Ausbruchsversuche der "Reichsführung". In der frühen Morgenstunde dann unheimliche Stille, die Waffen ruhen, der Krieg ist hier zu Ende, gleich werden die Sieger auch hier erscheinen. Die eben noch herumlaufenden hohen Offiziere, manche sind gerade erst hier erschienen, man sagt, sie wären aus dem Bunker der Reichskanzelei hergekommen, tragen jetzt Ärztekittel , Stethoskop um den Hals, Rezeptblock in der Hand. Mimikry, Tarnung, Versteckspiel, die Landser nennen berühmte Namen, kann mich nicht mehr erinnern, dann sind sie verschwunden, noch in letzter Minute abgetaucht in die Berliner "Unterwelt"
Gegen Morgen an der Eingangstür erscheinen zwei, drei Gestalten, Pistole in jeder Hand, Maschinenpistole im Anschlag, fuchteln herum : "Gde Gitler??", "Woina kaput"," Skora damoi" und "Uri jest?", einer befiehlt: "Idi suda!", Mann für Mann wird durchsucht. So sehen also Russen aus, und so sprechen sie, Sowjetmenschen, Bolchewiken? Untermenschen? Habe ich noch Angst vor ihnen?
Weitere strömen nach und nach herein. Auch ein junger, großgewachsener Unterleutnant mit keß aufgesetzter Kosakenmütze, in Begleitung einer hübschen, blonden Soldatin (könnte dem Idealbild der nordischen Rassefrau gleichen), sind das "Untermenschen" ?
Beide schreiten die breite Treppe empor. Dort auf dem Podest steht ein Konzertflügel. Sie setzen sich dran und spielen vierhändig, Strauß, Bach, Mozart glaube ich, ich kann das jedenfalls nicht,... ‘nix kultura’.   Untermenschen ? Jetzt habe ich keine Angst mehr.

Gehe dann mit einem jungen 'Mariner' umher (hieß er nicht Rolf, kam aus dem Ruhrpott? Von einem Ostseehafen in letzter Minute nach hier kommandiert, ausgebildet für Einmann-U-Boote, für Himmelfahrts-Kommando, hier also am richtigen Platz, nun aber davongekommen) Wir sind neugierig, gehen herum, nehmen auf, gucken, staunen. Wir sollen uns im Keller einfinden, werden dort zusammengetrieben, werden gefilzt, "idi suda", dorthin, Messer, Scheren, alles Waffenähnliche abgeben, erste Registrierung. Der russische Sergeant hat nun das Sagen, ein Deutscher dolmetscht: Der Krieg ist aus, alle Waffen abgeben, alle dürfen bald nachhause, Ruhe bewahren. Wer weiß, wo Hitler ist?
Dann können wir uns im Hause bewegen, die, die dazu körperlich in der Lage sind. Ich schreite die breite, vornehme Treppe empor, zur 1. Etage, breite Flure, mahagonigetäfelt, ebensolche Schreibtische an den Wänden, ausgelegt mit schweren Teppichen, Kristalleuchter, Bronzebeschläge, Gemälde und Skulpturen.
Überall auf dem Boden liegen Matratzen herum, gebrauchte Wäsche, Binden, blutverschmiert -. Am Ende des Flurs betrete ich ehrfurchtsvoll, staunend ein Zimmer, eine Suite, Zimmerpreis 25 Mark lese ich staunend auf der Tafel zwischen den beiden schweren Eingangstüren. Sehe mich um. Dort geht es in das Badezimmer, alles Marmor und vergoldete Armaturen, Riesen-Kristallspiegel. Und dort geht es nach draußen, eine Balkontür von schweren Vorhängen eingefaßt steht offen, die weißen Gardienen wehen herein. Ich trete auf den Eckbalkon und sehe ein weltbekanntes Bild vor mir: das Brandenburger Tor. Riesenhaft steht dieses Symbol preußig-deutschen Siegens da im Frühlicht, dunstverhangen. Es schaudert mich. Ich nehme an, dieses hier ist der beste Platz im Schlußakt eines großen Welttheaters und sehe droben in der Quadriga schon die Akteure, die sich zur Apotheose rüsten. Rotarmisten sind es, die das rote Siegesbanner in den durchlöcherten Leib der Viktoria stecken.— Sieg! Sieger! "Die Fahne hoch ... Vor 12 Jahren marschierten sie hier "...mit ruhig, festem Schritt, Kam’raden, die Rotfront und Reaktion erschossen, marschiern im Geist in unsern Reihen mit" und "... wir werden weiter marschieren, bis alles in Scherben fällt, denn heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt"

Heute, mit jahrzehntelangem Abstand, hat dieses Bild in meiner Erinnerung fast nur noch melodramatische Züge.
Zu unsern Füßen, ‘Unter den Linden’, wogt es auf und ab. Sieger, zu Fuß und auf Fahrzeugen, motorisierte und bespannte, Sowjetmenschen, geschorene Schädel, hochgeworfene Mützen, schmutzigbraune Kittel, abgewetzte Stiefel, Arbeiter- und Bauerngestalten, jubelnd, johlend, singend, lachend, sie umarmen sich. Ziegen, Kühe angebunden an Panjewagen, die Muschigs liegen darauf auf der Strohschütte.
Soll ich den Mimen, Statisten, Komparsen Beifall spenden ?
Unten im Adlon steigen junge russische Soldaten in die Keller ein. Wittern Alkoholisches, Berauschendes, Weibliches, finden Kostbares, Flaschen mit teuren Weinen (das Haus hatte den bedeutendsten Weinkeller Deutschlands), von Strohhüllen geschützt. Die fangen Feuer. Versehen oder Absicht ? Qualm, Rauch steigt hoch, der Keller, die Halle sind bald davon erfüllt. Die Behandlungsräume im Keller und die Halle werden geräumt, die Verwundete in den 1.Stock geschleppt. Doch auch dorthin steigt nach gewisser Zeit der Rauch. Die Sieger lassen unsere Löschversuche nicht zu, das wenige Wasser in dem Leitungsnetz wird vielleicht andersweitig gebraucht. Also, runter wieder mit den Verwundeten und nach draußen auf den Grünstreifen unter die ‘Linden’ oder das, was sie vor dem Kampf waren, zwischen die beiden Fahrbahnen.

Stöhnend, schreiend, wimmernd, sterbend liegen sie nun da auf der Prachtstraße. Sanis, Krankenschwestern, Ärzte sind um sie bemüht, trösten sie und helfen manchem beim Sterben. Panjewägelchen zockeln vorbei, Russenpeitschen knallen in die Liegenden. Vae victis! "... Wand’rer, sage du habest sie liegen sehen, wie das Gesetz es befahl!" Welches Gesetz befahl es ihnen, den "Endsiegern", den "Verteidigern des Abendlandes", den "Herrenmenschen", der "Jugend Europas", die aufbrach, dem Bolchewismus den Garaus zu machen ?—
Thermopylen,- Mai 1945,- Götterdämmerung,- fünf Minuten nach zwölf....-
Die davongekommnen Charlemagne-Männer, französische Freiwillige von der "SS-Division Charlemagne", wurden zum großen Teil von ihren Landsleuten in der Heimat und in Süddeutschland, liquidiert. Welches Gesetz befahl dies?!

Ich sehe mich draußen um. Neben den brennenden Hotelkästen stehen hier am Pariser-Platz, der ‘guten Stube’ Großdeutschlands, andere, stark beschädigte Prachtbauten. Vor dem einen liegen bündelweise Geldscheine auf dem Bürgersteig, aus geknackten Tresoren, wertlose Zahlungsmittel. Alles kaputt, "banca rotta". Alles ? Hebe mir doch eine Handvoll Scheine auf, stecke sie in die Tasche, später gezählt, ergab sich eine Summe von ca. 1200 Reichsmark. Ich habe sie durch alle Filzungen gebracht, auch nicht in die Latrinen geworfen, nicht als Fidibus benutzt.
Ich behielt sie bis 1948, bis nach der Gefangenschaft, sie waren mir, wenn auch stark abgewertet, ein kleiner, nützlicher wirtschaftlicher Grundstock.

Dort kommen zwei Sieger, "Befreier", in Matrosenuniform, "schwarze Teufel" von der Schwarzmeerflotte, eingehakt, schwankend, gröhlend, betrunken.
Sie sehen die jungen, hübschen Schwestern, es sollen auch verkleidete Diplomaten-Töchter u.a. dabei gewesen sein, steigen über die Liegenden, greifen sich zwei der Mädchen, zerren, schleifen sie an den Haaren in die Ruinen... Landser pfeiffen, johlen, schreien, rappeln mit den Kochgeschirren, große Aufregung. Dort kommt ein Jeep die Strasse herunter, drinnen ein hochdekorierten russischer Offizier, Oberst sagt man, der Fahrer und noch ein Soldat. Man fragt, was da los sei. Befehl des Offiziers. Die beiden Soldaten stürmen in die Ruinen und bringen die beiden Matrosen heraus, stellen sie an den Haussockel, Gesicht zur Wand. Der Oberst geht auf sie zu, zieht im Gehen seinen Revolver und legt die beiden Banditen ohne ein Wort— peng-peng— um.
Ein druckfrischer Befehl Stalins verbietet den Siegern das Rauben, Plündern, Schänden. Walter Ulbricht ist nämlich mit seinen Genossen in der Stadt. Sie sollen möglichst schnell eine neue Ordnung, eine antifaschistische, aufbauen und dazu brauchen sie Wohlgesinnte.

Ich stehe weiter noch herum und sehe Russen, die Filmkameras und Fotoapparate auspacken. Gucke neugierig in die Objektive und warte jahrzehntelang, ob nicht vielleicht in einem Dokumentarstreifen diese Szene kommt. Das war doch etwas ganz Besonderes, was sich hier abspielte, jedenfalls für mich, das sollte man einfach einmal im Fernsehen bringen

Dann finde ich mich doch noch abgebildet, im Bildband, am Bildrand stehend,
Kinn und rechte Hand mit Verband, linker Arm in der Schlinge , davongekommen.
Und was kommt jetzt... ? Schto budit? würde der Russe fragen.

Jedenfalls lebe ich, bin kein toter Held! .

Gegenaufnahme vom selben Standpunkt nächste Seite .... das Brandenburger Tor.
Ich stehe auf dem letzten Quadratmeter des 'Tausendjährigen Reiches', fünf Minuten nach zwölf!
Der Kriegsberichterstatter war der Russe Iwan Shagin.
Nach einiger Zeit bringt man Karren, zweirädrige, vierrädrige, Ziehwägelchen. Die Verwundeten werden draufgelegt, die Gehfähigen schieben. Es geht um die nächste Ecke rum durch die Trümmer der Wilhelmstraße. Dort überall liegen Leichen, brennen noch Fahrzeuge, auch Panzerwracks, alle 50 Meter. Dann münden wir in die Voss-Straße ein. An Straßenlaternen hängen welche in deutscher Uniform, als "Feiglinge" ausgewiesen, noch in letzter Minute von fanatischen HJ-Führern und jungen SS-Leuten gehängt.
Auf den Ruinenschuttbergen liegen viele Tote. .

Da sehe ich eine Fassade, die mir aus den Wochenschauen bekannt ist, auch stark zerschossen, die eckigen Säulen, beidseits präsentierten früher die beiden SS-Posten, die breiten Treppen, der große Reichsadler : die Neue Reichskanzlei.
Wir gehen eine Rampe hinunter in den Keller, die Schwerverwundeten werden auf dort in einem Flur stehende Doppelfeldbetten gelegt.
Ich will mich zuerst mal umsehen, bin sehr neugierig. In den ersten Raum rechts nach der Rampe dürfen wir nicht hinein. Da hängt ein Schild "Reichsrundfunk", da war der Wehrwolfsender drinnen. Militärs und Zivilisten gehen ein und aus, auch ein geschniegelter Neger und an einem der Tage auch hohe deutsche Offiziere in vollem Ornat und mit Marschallstab.- Ansonsten kann ich mich überall da unten, in den "Katakomben" bewegen. Auf der Suche nach Eßbarem komme ich in eine Küche mit Vorratsräumen, dort gibt es Konserven mit nie oder lange nicht Gegessenem. Da hat einer eine Riesenflasche mit französischem Kognac, Jahrgang 1908, Magnum. Ich bekomme auch einen Schluck, kann den Genuß, wie so vieles Andere nicht einordnen. Jedenfalls kann ich feststellen, daß die hier früher sehr gut gelebt haben. In einem der Kellerräume stehen Vitrinen mit den Geschenken, die der "Führer" zu seinen diversen Geburtstagen und anderen Gelegenheiten bekam.
Ich halte eine Schatulle, vergoldetes Blech, mit der Urkunde zur Rhein-landbesetzung 1936 in Händen, da liegt auch ein 12-teiliges goldenes Obstbesteck, das stecke ich ein. Und in einer Ecke liegt auf dem Boden ein gelbbrauner Uniformrock und eine dazugehörige Mütze, die wird ein paarmal durch den Raum gekickt, könnte das Haupt des geflüchteten Chefs dieses Hauses, Reichsleiter Martin Bormann, geziert haben. Weniger als 12 Stunden zuvor war er getürmt. In einfachem Kampfanzug hatte er mit andern die Reichskanzlei verlassen. Beim Ausbruchsversuch fand er beim Lehrter Bahnhof den Tod.— Dort steht auch ein Schrank mit schmalen Schubladen, wie ein Paramentenschrank. Darin liegt das gesamte Sortiment aller militärischen und zivilen Orden der Deutschen, wohlgeordnet, die werden nun nicht mehr verliehen.-
Und da, in einem Wandschrank sind Schachteln mit nagelneuen Pistolen, Mauser, Walther, ich stecke mir eine ein, habe aber sofort Angst, will das Ding wieder los sein. In einer Toilette öffnen wir den Deckel eines gußeisernen Spülkastens, dort werden zwei der Waffen und mein "Goldschatz" deponiert mit der Illusion, das dort in ruhigen Zeiten wieder zu holen. Bubenhafte Vorstellung! Ich spreche mit einem jungen SS-Mann, der zu erkennen ist an dem dunkleren Kragen des Waffenrocks und den Stellen darauf, wo die nun abgetrennten "Sieg-Runen" saßen. Er erzählt mir, daß er zwei Tage vorher mehrere 20-Liter Kanister mit Benzin nach hinten zum Hof gebracht habe, wo die Leiche von Hitler, der sich erschossen habe, verbrannt worden sei . Alle Versionen über Hitlers Ende oder vielleicht über sein Entkommen nach Südamerika, die als sowjetische Propaganda später im Gefangenenlager verbreitet wurden, ließen mich, als den Besserinformierten, kalt.

Nachmittags oder am nächsten Tag, werden 8 oder 10 der leichter Verwundeten nach draußen geführt. An der breiten Haupttreppe der Reichskanzlei mit Eimern versehen, gehts in die große Empfangshalle und nach rechts weiter bis in Hitlers Arbeitszimmer, einige kleine Brandherde werden dort von uns gelöscht.
Ich sehe mich staunend um. Ehrfurcht ? Mehr abenteuerliche Neugierde, mir kaum bewußt, die zweifelhafte Gunst zu genießen, hier im Sanctuarium des Reiches zu stehen. Papiere, Akten liegen umher, vornehme Kopfbogen mit großem Reichsadler "Der Führer und Reichskanzler". .....Makulatur! Oder vielleicht doch aufhebenswert, archivierungswert ? Für die Nachwelt zu erhalten? Oder mit dem russischen Kriegsberichterstatter Kopeljew:" Aufbewahren für alle Zeit!"
......Hier, an diesem Schreibtisch wurden Dokumente, Befehle, Gesetze, Urteile rechtskräftig gemacht, die unermeßliches Elend über Millionen Menschen gebracht haben. Werden wir dafür büßen müssen ? Und da im Vorraum der riesengroße runde Tisch. Die große Glasplatte ist geborsten. Bildlich : Das Tischtuch ist zerrissen! Symbol für das zerrissene, gespaltene, zerstörte Reich. Doch mir ist die frühe oder späte Gnade gegeben, das ziemlich unbeschadet erleben zu dürfen! Am 5. oder 6. Mai wird eine Gruppe von ca. 30 Gehfähigen zusammengestellt. Wir sollen, sagt man uns, zur Entlassungsstelle am Alexanderplatz gehen, dort gäbe es für uns Entlassungspapiere, Lebensmittelkarten, Fahrkarten usw . Gerne glaubte ich das. Eine Liste mit den Namen wird zusammengestellt. Wir, ein bunter Haufen, marschieren, zockeln mit zwei begleitenden Rotarmisten los, durch die Ruinenstraßen, gen Osten. Einige ortskundige Berliner geben Erklärungen, welchen Zwecken die einzelnen Gebäude dienten.Transparente sind über die Straßen gespannt. In Russisch steht darauf: "Sei gegrüßt erster Mai!", "Es lebe die große Sowjetunion" und in Deutsch : "Die Hitler kommen, die Hitler gehn, aber Deutschland und das deutsche Volk bleiben. J.Stalin". Wir erreichen den Alexanderplatz. Von Entlassungsstelle keine Spur und keine Rede mehr. Die Versprechung war wohl mehr eine sehr praktische Finte. Wir ziehen weiter. Ein, zwei Mann springen in den Treppenabgang zu einer U-Bahnstation. Ob sie davonkommen? Unsere Begleiter vervollständigen ihre Zahl, indem sie zwei alte Männer aus einer nach Wasser am Hydranten anstehenden Menschenschlange herauspicken und mitschleifen. Die werden bestimmt nicht mehr zurück kommen. Schließlich verläßt unsere Gruppe die Frankfurter Allee, bzw. ihre Verlängerung und erreicht unbebautes Gelände.
Jetzt ballern unsere Bewacher ohne Unterlaß in der Gegend herum, probieren die Beutepistolen aus, mit denen sie sich bestückt haben. Wie große Kinder haben sie sich behängt mit allem Möglichen, mit diversen Seitenwaffen, SA-Dolche, HJ-Fahrtenmesser usw.
Sie schießen auf Blechdosen und was sonst so herumliegt. Dabei ist in den letzten Jahren doch wahrlich genug geschossen worden!
Wir kommen an einem Stacheldrahtzaun vorbei, dahinter stehn Deutsche, Uniformträger mit geschorenen Köpfen. Wir winken, rufen ihnen zu, Grund für die Russen nur noch mehr zu ballern. Die Kumpels drüben bedeuten uns, daß wir auch bald Glatzköpfe hätten. Diesen Raub unserer Attribute der Männlichkeit halten wir aber noch nicht für möglich. Bald stehen wir am Lagertor, aufstellen zu Fünfen, es wird abgezählt, dann sind wir drinnen.
Wir nehmen Aufstellung, vor der Front wird eine Papiertüte mit Scheren auf dem Boden ausgeleert, ein Sortiment von der Nagel- bis zur Heckenschere. Dann geht es ans gegenseitige Heruntersäbeln unserer stolzen Haartracht. Sichsträuben nutzt hier nichts, nur ohne Haupthaare kann man sich zum Essenempfang anstellen. Der Hunger verlangt halt das Schönheitsopfer! Dies ist eine bittere Grunderfahrung für die nächsten drei Jahre, wo, auf der untersten Stufe der Existenz, der stets gegenwärtige Hunger das Generalthema war.

Waren wir "Befreite" ? !

Drei Jahre in den Lagern, hier am Magerviehhof beginnt die Veranstaltung. Dann Fürstenwalde an der Spree (40 000 Mann in einer ehemaligen Kaserne) Posen und im Herbst nach dreiwöchiger Fahrt im Güterzug, fast ohne Verpflegung und Wasser, in Baranowitschi in Weißrußland und dann in den Lagern Leßnaja, Iwazewitschi, Nekaschewo und in mehreren kleinen Arbeitslagern.

Bis zu meiner Heimkehr im Mai 1948 nach St.Nikolaus am westlichsten Rande des ehemals "Großdeutschen Reiches".
Jedenfalls lebend, wenn auch gesundheitlich angeschlagen. Diese Zeit wäre ein eigener Bericht wert.

Vorstehend sind die Fakten meiner persönlichen Erlebnisse im Alter von 17 bis 20 Jahren aufgeführt.
Eine Erinnerungsskizze, die weitgehend der politischen und historischen Bewertungen entbehren soll.- -
 Sie ist für meine Kinder bestimmt und für andere, die meine Generation gerecht zu beurteilen vermögen. --

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